SoSe 2010 PS „Was ist Kulturwissenschaft?“
Zu allererst ist die Frage „Was ist Kulturwissenschaft?“ ein vorsichtig formulierter Titel für ein Proseminar in der Germanistik, das sich bewusst nicht „Einführung in die Kulturwissenschaft“ oder „Grundlagen der Kulturwissenschaft“ nennen will – das schiene angesichts des recht unscharfen Begriffes „Kulturwissenschaft“ vermessen. Diese Unschärfe zeigt sich schon bei der Namensgebung: Es gibt Kulturwissenschaft, Kulturwissenschaften, Medien-Kultur-Wissenschaft, Cultural Studies, Kulturphilosphie und vieles mehr, das im Kern eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Phänomen „Kultur“ (bzw. mit Teilen davon) versucht. Das Phänomen Kultur wiederum wird selbst aber zu großen Teilen überhaupt erst durch spezifische kulturtheoretische Überlegungen zum Gegenstand von kulturwissenschaftlichen Untersuchungen. Dieses Problem wird uns das gesamte Seminar über begleiten – entsprechend scheint uns das Hinterfragen schon im Titel als angebracht.
Unabhängig von diesen Überlegungen gilt kulturwissenschaftliches Arbeiten seit einiger Zeit als transdisziplinäre Zukunftsperspektive für eine durch Methodendebatten zweitweise krisengebeutelte Germanistik. Die Vorstellung ist, dass Germanistik einerseits um Verfahren benachbarter Disziplinen erweitert wird. Andererseits kann eine „kulturwissenschaftliche Öffnung der Germanistik […] durchaus als vitalisierender Rückgriff auf ihr eigenes, weitgehend noch unausgeschöpftes Potential angesehen werden“(Peter Matussek). Kurz gesagt: Trotz aller Unschärfe gilt Kulturwissenschaft gegenwärtig als das theoretische Paradigma der Germanistik („Cultural Turn“) – vielleicht gerade weil sie ein offener Sammelbegriff für verschiedene wissenschaftliche Positionen und Verfahren ist.
In unserem Proseminar wollen wir zu Beginn die historischen Kontexte kennen lernen, aus denen dieser Begriff entstanden ist, und uns dann einen möglichst guten Überblick über verschiedene aktuelle Positionen verschaffen. Schwerpunkte werden unter anderem Zeichentheorie (Semiotik) und die Schnittstelle von Kulturwissenschaft und Medienwissenschaft sein. Aber auch (Literarische) Anthropologie, Gender Studies, Gedächtnistheorien und Intertextualität werden Themen sein. Weitere Schwerpunktsetzungen möchten wir gemeinsam mit den Kursteilnehmern nach Interessenlage vornehmen.